Nicole Althaus
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Martin Suter
Audi magazin 2/2008
Text: Nicole Althaus
Fotos: Pablo Faccinetto 
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«Der Paradiesbauer»

Er ist der Star unter den Gärtnern und der Gärtner der Stars: Enzo Enea macht aus jedem Flecken Grün eine Oase der Sinnlichkeit. Und manchmal ist der Garten am Schluss mehr wert als das Haus, zu dem er gehört.

Wer die Erfolgsgeschichte von Enzo Enea verstehen will, muss den Mann auf der Baustelle einer seiner Gärten erleben. Nicht weil er um 9 Uhr, bei seinem ersten Kontrollbesuch im Villenviertel des Zürcherischen Herrlibergs, bereits eine Planungssitzung und ein Kundengespräch hinter sich hat. Der 16-Stunden Tag ist seit fünfzehn Jahren sechs Tage die Woche die Norm. Auch nicht, weil der Mann keine zehn Sekunden vor Ort braucht, bis er seinen Arbeitern die ersten Korrekturen aufträgt. Optische Perfektion hat ihn schon immer umgetrieben. Man muss Enzo Enea in diesem unfertigen Garten sehen, um zu spüren, was ihn antreibt: Wie der Mann durch den Matsch stapft, den Kopf im Nacken, die Arme gegen den Himmel gestreckt, als wollte er die Krone der alten Birke umarmen, die er gerettet hat und beschnitten, damit sie ein neues Gleichgewicht findet. Man muss Enzo Enea hören, wie er vom Rot des Stamms der alten Eibe schwärmt, der er eine Bühne gebaut hat aus Holz, damit für alle klar ist, dass sie der Star dieses Gartens ist. Und man muss Enzo Enea beobachten, wie er mit blossen Händen die Äste der wilden Birnbäume in die Luft zeichnet, die er hier pflanzen wird, und damit das Bild des vollendeten Gartens heraufbeschwört, in dem schon bald Singvögel pfeiffen und die Schatten der Blätter auf dem Boden tanzen werden. Erst dann versteht man das Geheimnis seines Erfolgs: Gärten sind für den 44-jährigen Italo-Schweizer kein Beruf, sondern Berufung.

„Alles, was man im Leben gemacht hat“, sagt Enea, „trägt zum Erfolg bei, wenn man erst herausgefunden hat, wofür man eine Leidenschaft entwickeln kann. “ Seine Leidenschaft hat Enzo Enea auf Umwegen entdeckt: Er machte zuerst eine Lehre zum Formenbauer. Dabei lernte er das Wesen des Designs kennen und die Kunst der Präzision. Dann studierte er in London Landschaftsarchitektur, weil er sich daran erinnerte, wie gern er „als Bub mit dem Grossvater im Garten in der Erde gewühlt“ hat. Zurück in der Schweiz, übernahm er 1993 das väterliche Steinmetzgeschäft mit einem Angestellten. Heute arbeiten 140 Leute für Enea.

Der Mann mit dem „goldenen Daumen“, wie ihn die Weltwoche nennt, setzt sich an den grossen Tisch im Pavillon seines Showgartens in Schmerikon am oberen Zürichsee. Er trägt Jeans, darüber ein schlichtes dunkelblaues Hemd und robustes Schuhwerk. An der Wand hängt ein Foto, auf dem er neben Prinz Charles zu sehen ist.. „Ja, ich arbeite für ihn“, mehr sagt Enea nicht dazu. Er ist wortkarg, wenn es um seine illustre Kundschaft geht. Fragt man ihn nach dem Moment, in dem er nicht länger „Enzo wie? “ war, sondern der Gärtner der Prominenten, winkt der Mann energisch ab und sagt, er hasse dieses Etikett, weil es ihn einenge: „Ich baue keine Promigärten. Ich baue einfach Gärten. “, sagt er und zieht Tuschzeichnungen seiner Projekte aus einem gigantischen Hängeregister, darunter solche von bescheidenen Balkonen. „Die Gärten aber die ich entwerfe, baue ich so perfekt, dass sie den Wert einer Liegenschaft steigern. “ Dann erzählt er von George Harrison. Der Ex-Beatle hatte ein Haus im Tessin gekauft. Nicht wegen des Hauses, das liess er niederreissen. Sondern wegen des Gartens. Er war von Enzo Enea. alles möglich, nichts zufällig

Wer die Erfolgsgeschichte von Enzo Enea verstehen will, der muss ausserdem wissen, dass der Mann, der sich einst auch ein Leben als Surfer hätte vorstellen können, heute Wasser fast nur noch als Gestaltungselement seiner Gärten erlebt. Wer pro Jahr zwischen 50 und 60 neue Grünoasen in der ganzen Welt baut und unterhält, hat kaum mehr Freizeit. Der muss eine ganze Industrie am Laufen halten. Schliesslich kommen, je nach Kundenwunsch, schon mal Bewässerungs- und Beleuchtungsanlagen dazu, wenn Enea sich der Grüngestaltung annimmt. Oder es werden hundertjährige Bäume gesucht, eingeflogen und mit sammt der Wurzelballen verpflanzt. „Wir sind das einzige Gartengeschäft, das nebst Landschaftsarchitekten und Gärtner auch Schreiner, Elektriker, Sanitäre und Maurer beschäftigt.“, sagt Enea stolz.

Einmalig ist auch das Laboratorium, das der Mann, der wie ein Baum ständig über sich hinauszuwachsen scheint, so ganz nebenbei noch aufgebaut hat. Da werden Zypressen sorgsam ans Schweizer Klima gewöhnt, da wird mit Bonsai-Reben experimentiert und getestet, welche Materialien gut zusammenpassen. Hier erweitert Enea sein Repertoir, perfektioniert seinen Stil. Denn letztlich ist es Eneas Handschrift, die in New York so gefragt ist wie in Moskau oder Shanghai, die mittlerweilen als Statussymbol gilt, wie eine Boffi-Küche im Haus oder ein Luxusauto in der Garage. Der Kern dieser Handschrift ist Eneas untrügliches Gespür für Harmonie und Proportion, sein gekonntes Spiel mit dem jeweiligen lokalen Kontext und seine geradezu frappierende Fähigkeit, die Sehnsüchte seiner Kunden zu übersetzen in Formen und Farben, in Gerüche und Geräusche, in Bäume und Sträucher. „Ich beschäftige mich nicht nur mit der begrenzten Gartenfläche“, verrät Enea, „ich lese das Terrain als Ganzes, beziehe die Architektur in die Planung ein und natürlich die Menschen. Jedes Detail hilft mir weiter: Die Schuhe, die eine Kundin trägt, die Handtasche.“

Wer mit Enzo Enea von Garten zu Garten fährt, lernt auch, was ein fotografisches Gedächtnis ist: Ständig klingelt sein Natel und er gibt über den Lautsprecher Anweisungen, was wo gepflanzt, was wie zurückgeschnitten werden muss. „Einen Garten, den ich entworfen habe, bleibt in meinem Gedächtnis optisch gespeichert“, erklärt Enea, „Ich vergesse vielleicht einen Namen, niemals aber einen Baum, den ich ausgesucht habe.“

Doch es gibt nicht nur den Enea mit der typisch schweizerischen Arbeitsethik, es gibt auch den Enea mit der italienischen Begeisterungsfähigkeit: Den Enea, der sich freut wie ein kleiner Bub, wenn er von Miamis Stadtpark erzählt, den er neu gestaltet hat. Weil er dort ein öffentliches Paradies schaffen durfte. Und den Enea, der ganz nonchalant die Côte d‘ Azur an den Zugersee zaubert. Für jeden einzelnen Gast, der den vollendeten Garten in Walchwil, nähe Zug, betritt. Mit einheimischen Kiefern, die er zugeschnitten hat wie mediterrane Pinien. Mit einem Thymianteppich, der nach Süden riecht, und zu Quadern gestutzten Buschbäumen. Dazwischen fliesst Wasser, das am Rand des Grundstücks geräuschvoll hangabwärts stürzt. Damit man den Zug nicht hört, der 50 Meter unter dem Haus vorbeirattert. Wenn man in einem Sessel auf dem Holzrost sitzt, fliesst der Zugersee in den Garten und sieht so mächtig aus wie das ferne Meer. Nichts weniger als ein Kunstwerk ist dieser Garten. Bis ins kleinste Detail durchgeplant. Und doch so leicht, als hätte ein Sommermorgen ihn geküsst.

Zürisee im Winter Zürisee im Winter Zürisee im Winter Zürisee im Winter Kleiner Hüpfer Zürisee im Winter Kleiner Hüpfer Kleiner Hüpfer Zürisee im Winter Kleiner Hüpfer